Martin Kürschner

«LAUBBAUM-LAUTBAUM-LAUTTRAUM» Klanginstallation

Die Komposition gehört zu einer Reihe von Arbeiten, die ich mit der am IRCAM in Paris entwickelten Programmiersprache „Max“ auf einem Macintosh-Computer komponiert habe. Es handelt sich um „rekursive Zeitschleifen“ im vorliegenden Fall um zwölf ineinander verschlungene Möbius-Bänder, die zeitweise überschaubar „geordnete“, zeitweise scheinbar ungeordnete, „chaotische“ Zustände durchlaufen, ohne dabei jedoch jemals von Zufallsoperationen bestimmt zu sein. So entsteht eine zyklisch pulsierende Form, die in immer größer werdenden „Zeitschleifen“ atmet und sich ins Unendliche fortsetzt. Die Klänge aus den eigens für die Installation gebauten Lautsprechern entstammen größtenteils Naturlauten wie raschelndem Laub, brechenden Ästen, Wind und Regen, Klängen von Wasser, Vulkanen und Geysiren, aber auch Tierlauten, dem Ticken von Uhren und dem Geläute berühmter europäischer Glocken; nichts erklingt jedoch in Originalgestalt: alles wirkt durch die elektronische Verfremdung und ungewohnte Komposition wie unter einem akustischen Mikroskop vergrößert.

Beim Komponieren mit dem Computer, der die 16 Tage lang dauernde Komposition bei der Aufführung life generiert, geht es keinesfalls um eine Verherrlichung der Maschine, die schneller, präziser, ausdauernder arbeitet als der Mensch, vielmehr sucht eine solch entpersonifizierte, von aller Subjektivität der Interpretation geläuterte Wiedergabe einen unmittelbareren Weg zum Hörer, der die körperlos imaginären Traumwelten und Gedankenlandschaften betrachtet wie ein Naturereignis. Das Ganze wird er niemals erfassen; er hört einen Klang, eine Linie, die sich aus dem Wollknäuel komplexer Strukturen herauslöst, folgt dieser Spur, solange es möglich ist, bis sie wieder eintaucht in die scheinbar strukturlose Unordnung, aufgesogen wird vom Gewirr gleichzeitiger Ordnungen, deren Summe wir als Chaos empfinden ... M.K.

Biographie

Studierte Schulmusik, Komposition, Mathematik, Physik und Musikwissenschaft in Frankfurt.

1978-2001 Dozent für Musiktheorie, Musikwissenschaft und Medientechnologie an der Akademie für Tonkunst Darmstadt

1989-2001 Lehrbeauftragter für Musiktheorie, Akustik und Computermusik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Leitung des Computer-Musik-Studios und stellvertretender Sprecher im Interdisziplinären Arbeitskreis „Musik und Kunstinformatik“

1990/91 Stipendiat der „Cite Internationale des Art Paris“ und Arbeit am IRCAM im Centre George Pompidou

Forschungsarbeiten zu den Orchesterwerken von Ligeti und Penderecki und zu computergesteuerter Klangbewegung und Raumsimulation

1990-1994 Computer-Music-Projects Supervising Assistant Director bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt

Realisation intermedialer Projekte zusammen mit dem Video-Künstler Andreas Köpnick (1991 Cite Internationale des Art Paris, 1992 Städtische Ausstellungshalle Münster, Glaskasten Mari, 1994 Akademie für Tonkunst Darmstadt)

Klanginstallationen mit computergesteuerter Musik, zum Teil in Zusammenarbeit mit der Malerin Wanda Stokwisz. (1994 Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Ikonenmuseum Frankfurt, 1996/97 Städtische Galerie Aschaffenburg, 1999 Protestantische Kirche Umburgerhof, 2000 Centralstation Darmstadt, Staatstheater Darmstadt, Katharinenkirche Frankfurt, 2001 Christuskirche Darmstadt -Eberstadt)

Mehrfache Auszeichnung der Kompositionen und zahlreiche Aufführungen und CD-Produktionen im In und Ausland

2001 Ruf an die Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn-Bartholdy“ Leipzig