Im Innern der Einsicht ist die Erkenntnis rückläufig, oder: Wie sieht ein Ton von hinten aus?
Mein Kopf ist ein Herz und ein Ohr und ein Trichter.
Und die Dinge fangen sich unter der Schädeldecke.
Die andere Seite des Klanges, und was ist ein Ton, wenn man ihn von hinten betrachtet.
Keine Lust mehr aus mir herauszuklingen lieber hineinhorchen oder doch lieber weghören.
Ich warte mit meinen Ohren, auf etwas das zerfließt, hinter meinen Augen, mich mit seiner Macht zu streifen.
Roger Rigorth
„Denn man wird der Zeit nur gewahr in den Dingen, die sie bewegt, die sie zu sehen verhindert“.
Samuel Beckett
Vogelstimmen. Windrauschen. Hören setzt meist Warten voraus. Horchen. So liegt im Hören ein Zeitfaktor verborgen, umgewandelt in die Währung: Geduld. Ist Hören also langsam? Langsamer als Sehen vielleicht. Unser Auge ist gewohnt, schnell aufzunehmen, zu erfassen, was wichtig ist. Das Ohr kollabiert schneller angesichts der Menge uns umgebender Reize, das Auge filtert die Details einfach heraus, ist abgehärteter. (Der lange Trichter hier läuft auf eine sehr kleine, verborgene Öffnung zu, die durch das Rohr auch geschützt wird.)
Die Arbeit von Roger Rigorth sieht aus, als würde sie warten. Das langgestreckte Hörrohr sieht aus, als warte es darauf, etwas einzufangen. Regen? Neugierige, die sich zu weit hineinbeugen, um herauszufinden, ob etwas darin verborgen ist?
Bin also ich es, deren Betrachtungsverhalten Gegenstand des Wartens ist? Denn während ich es betrachte und mich im Sehen übe, scheint mein Ohr sensibler zu werden und ich beobachte mich plötzlich, Vogelsingen wahrnehmend und Windrauschen, und stelle fest, dass meine Betrachtung auch akustische Wege nahm. Was wird beim Betrachten passieren, wenn die Arbeit in einer anderen, zum Beispiel technischen Umgebung steht? Werden es da andere Geräusche sein, die wahrzunehmen man sich ertappt oder werden dort die Materialien wie das rohe Holz eben die Erinnerung an Vogelstimmen und Rauschen von Blättern im Wind hervorbringen? Vielleicht steht dann der visuelle Aspekt der Betrachtung mehr im Vordergrund, das Material Holz und Metall, das labile Gleichgewicht der Formen zueinander, das den Gedanken, dass hier etwas geborgen ist, noch verstärkt.
Tina Stolt, Juni 2001
Biographie
Geboren 1965 in Saanen/Schweiz
1987-1990 Ausbildung zum Holzbildhauer in Michelstadt/Odenwald
Seit 1991 freischaffender Künstler
1992-1993 Arbeitsaufenthalte in Polen und Irland
1996-2001 Symposiumsteilnahmen u.a. in der Tschechischen Republik, Australien, Dänemark, Namibia, Korea und Finnland
Seit 1993 Ausstellungen in Aschaffenburg, Darmstadt, Worms, Ludwigshafen, Mannheim, Heidelberg, Frankfurt, Rosenheim, Basel, Windhoek, Rakovnik, Danzig, Pusan
Lebt und arbeitet in Otzberg bei Darmstadt
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