Horst Dieter Bürkle

«Die Menschenrechte der Jakobiner» Filmprojekt

Schon bei den ersten Vogelfrei-Aktionen war deutlich ablesbar, dass Bürkle hinsichtlich seiner künstlerischen Ausdrucksformen eine ganz besondere Affinität zu Sprache und Schrift entwickelt hat.

Ob in seinem tonlosen „Friedhof verschwundener Wörter“, einem großen, mit Grabsteinen und Terrakotten bestückten Gedenkhügel anlässlich Vogelfrei I (1995), oder zwei Jahre später bei Vogelfrei II in seiner Installation „Kafkas K kopfüber in meiner Kastanie“, einer nahezu vier Meter hohen Buchstabenskulptur, aus der in vielstündigem Vortrag Kafkas berühmte Briefe an Milena Jesenska tönten, stets ging es um Worte, die im Zentrum seiner an und aufregenden Arbeiten standen.

Es grenzt an Uraltdebatten über den Ausgangszustand einer allseits bekannten geflügelten Tiergattung, wenn man sich an eine Untersuchung darüber begibt, was bei ihm zuerst dagewesen sein könnte: Das Bild-Ei vor dem Wort-Huhn oder doch eher die Eierschrift vor dem Hühnerbild?

Die Suche nach einer gültigen Antwort ist müßig. Bürkle ist ein Geistesverwandter Marcel Duchamps und wie dieser nicht bloß an visuellen Produkten, sondern an Ideen interessiert. Und gleich ihm zielt er seit eh und je statt auf einbahnig „retinale“ auf eine gattungsüberschreitend „mentale“ Kunst.

Im Gegensatz zu meinen bisherigen VogelfreiProjekten stelle ich dieses Mal nichts Abgeschlossenes aus, sondern „zeige“ eine Arbeit während ihrer Entstehung. Genauer: Man sieht eigentlich weniger noch als das, ist indessen als mitgestaltender Besucher unversehens Bestandteil des Entstehenden.

Mit dem Filmprojekt „Die Menschenrechte der Jakobiner“ realisiere ich eine Arbeit, die ich (im Kopf) schon seit längerem mit mir herumgetragen habe.

Ich habe diese aus 35 Artikeln bestehende und niemals wirklich in Kraft getretene Deklaration der Menschenrechte aus dem Jahre 1793 willkürlich in mehr als zweihundert 5atzbruchstücke zerteilt und will sie während der Dauer der Ausstellung von ebenso vielen Menschen frontal in die Filmkamera sprechen lassen, wobei das Zufallsprinzip - wann welche Besucher eintreffen und ob sie sich wann zum Mitmachen entschließen und somit zum Projekt beitragen - die Arbeit in einem dem Thema urtümlich impliziten 5inne prägend mitgestaltet.

Immer vorausgesetzt, das Projekt lässt sich endlich wie gedacht verwirklichen, denke ich, dass es hinsichtlich seiner Polyphonie gut zu „Klangarten“ beiträgt.

Horst Dieter Bürkle, im Juli 2001

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Biographie

Geboren 1934 in Teningen im Breisgau

1950-1958 Berufsausbildung zum Fotografen, Filmtechniker und Reprografen

1958-1965 Verlagstätigkeit als Landschaftsfotograf

1965-1971 Lektor für Kunstkurse

1972-1975 Verlagstätigkeit im Bereich von Informations- und Lernsystemen

Seit 1976 freie Tätigkeit als Journalist und im Bereich audio-visueller Medien

Studienreisen in Europa, Afrika, Asien, Mittel und Südamerika

Zahlreiche Preise und Auszeichnungen für Experimental-, Trick und Dokumentarfilme bei internationalen Kurzfilmfestivals

Mitglied der Darmstädter Sezession

Lebt und arbeitet in Darmstadt